Der Weg ans Meer
Auspacken und Aufladen
“Habt ihr gut geschlafen?” Wir befinden uns nicht an einer Rezeption eines Hotels sondern am Kransteg und der Kranführer begrüsst uns freundlich. Vor rund einem Monat hat die Reise der Segelyacht Aroha von St.Peterzell nach Flensburg begonnen. Wir sind gut angekommen, haben gut eingewassert und liegen jetzt vor Anker an der dänischen Küste. Nun von Beginn an:
Zwei Tage vor dem Aufladen wurde ausgepackt. Ein besonderer Moment, denn wir haben das Boot von Aussen ohne die Plane seit es die Werft verlassen hat, nie mehr als Ganzes gesehen.
Alle Decksaufbauten sind vor dem Transport entfernt worden (Reling, Geräteträger, Seilrollen, Mastkorb, Deckshaus & co.). Neben dem Schiffsbau, welchen wir so weit als möglich an diesem tollen Ausbauplatz fertig machen, geben auch der Rückbau, die Ladesicherung, die Räumung des Bauplatzes, sehr viel Arbeit. So schlafen wir die letzten Tage kaum mehr als 6h. Vor dem Aufladen räumen wir bis nachts um 4 Uhr ein, morgens um 7 Uhr beginnen die letzten Vorbereitungen. Daher ist die eingangs erwähnte Frage des Kranführers so eindrücklich für uns: wir haben seit langem am Kransteg wieder einmal 8h Schlaf abbekommen.
Herzlichen Dank an Brunner Holz Ideen für diesen wertvollen Ausbauplatz.
Nach dem alles sicher aufgeladen ist, heisst es, der Transport werde ca 2h zum Zoll in Kreuzlingen benötigen, wir können in Ruhe einen Kaffe trinken. Da wir genügend Zeit am Zoll haben wollen um die Formulare auszufüllen, fahren wir sogleich los. Am Autobahnzoll Kreuzlingen angekommen erhalten wir gerade die auszufüllenden Formulare, da sehen wir auch schon unser Boot in den Zoll fahren. 2 Stunden sind das nicht gewesen.
Erleichtert, dass dieses Zollverfahren, welches wir jährlich verlängern mussten und für das wir selbst die Verantwortung getragen haben, endlich abgeschlossen ist, geht es wieder zurück zum Bauplatz. Während der Fahrt essen wir das für uns hergerichtete Picknick (wir hatten den Bereich Essen mit Einkaufen und Kochen schon vor ein paar Wochen ausgelagert). Ein seltsamer Anblick ist der leere Bauplatz. Die Verantwortung ist jetzt für kurze Zeit nicht mehr bei uns, sondern in den Händen des Yachttansporteurs, der uns den Rumpf bereits in die Schweiz gebracht hat.
Spät abends am Dienstag – nachdem wir alles aufgeräumt und Schlüssel im Betrieb abgegeben haben, einige Freunde verabschiedet haben – fahren wir in der Schweiz los. Geplant ist, dass das Boot in der Nacht von Mittwoch auf Donnerstag ankommt und Donnerstagmorgens einwassert wird. Das bedeutet, dass wir irgendwo eine Nacht liegend verbringen werden, bevor das Boot eingewassert wird. Wir sind vom Endstress, der schon Wochen zuvor begonnen hat, und vom Aufladen sehr erschöpft.
Dem ist anders: kurz nach unserer Abfahrt um 23:30 Uhr erhalten wir eine SMS vom Transporteur, er komme gut durch und sei vermutlich bereits Mittwochmorgens in Flensburg und wolle so bald als möglich abladen = einwassern. Das Boot hetzt uns einmal mehr auf dieser Strecke. Unser Fahrer Fabio ist zum Glück ausgeschlafen und motiviert uns so rasch als möglich nach Flensburg zu fahren.
Wir lassen alles zurück: Wohnung, Auto, Töff, Beruf, sicheres Umfeld. Wir haben uns für ein Leben entschieden fernab von der Heimat und altbekannten Freunden auf dem Wasser mit vielen Unbekannten, wo sich bekanntlich der Wind jederzeit drehen kann.
Parallel die Geschichte von einem anderen Leben, das sich radikal ändert. Ein paar Tage vor Stefanies letztem Arbeitstag, kurz bevor wir uns voll und ganz dem Projekt hingeben können, erfahren wir, dass die Frau von Davids Cousin die Diagnose Krebs hat. Vor ein paar Jahren haben wir sie bei einem gemeinsamen Segeltörn kennen gelernt. Als wir uns an unserem Ankerplatz an der Ostsee an unser neues Leben gewöhnen, verstirbt sie. Rund sechs Wochen nach der Diagnose. Eine Familie mit zwei kleinen Kindern muss sich in einem neuen Leben zurecht finden. Erneut erleben wir die Extreme des Lebens, die in der Parallele existieren.