ein Sechstel Jahr: Über spooky Inseln, Villenviertel und tierische Kulissen
Ein Sechstel Jahr wohnen wir zwischen Ochseninseln und Villas. Des öfteren fragen wir uns, wenn wir mit Flex und Schleifmaschine arbeiten, was das Gespräch der Gäste des Edelrestaurant wohl sein mag. Ob sie sich vom Lärm gestört fühlen? Ob sich das Personal wundert, warum eine Yacht über Wochen dort vor Anker liegt?
Im Wochentakt beobachten wir, wie Boote auf die Sandbänke der Ochseninseln auflaufen. Bei kleineren Booten geht jeweils jemand schwimmen und zerrt das Boot aus der Untiefe. Bei mittleren Booten läuft 15min der Motor auf Hochtouren bis es freikommt. Drei Mal muss der Abschleppdienst kommen. Einmal sogar um das Kursschiff wieder ins freie Wasser zu ziehen. Eine Stunde lang können wir in nächster Nähe beobachten, wie sich Passagiere von einer Seite zur anderen bewegen und die Antriebsschrauben surren durchs Wasser. Wohlbemerkt, das Kursschiff fährt mehrmals täglich diese Route.
Überwiegend kommt der Wind von westlicher Richtung, wo wir gut geschützt sind. Einmal kommt der Wind mit 40kn aus Süden, die Wellen bauen sich über die Flensburger Förde auf, bis sie an unserem Ankerplatz die Aroha zum Stampfen bringen und mich (Julia) fast zum Kotzen. Ich bin in einen Text vertieft und merke erst zu spät, dass Aroha mit mir tanzen will und ich besser einer anderen Tätigkeit nachgehen würde. Doch es ist schon zu spät, das Unwohl sein will nicht mehr weg, auch Ingwer essen und mich hinlegen nützen nichts mehr. Erst als der Wind und dann die Wellen in der frühen Nacht nachlassen, kann ich mit einem wohligen Gefühl einschlafen. Es bleiben unsere einzigen Erfahrungen mit Übelkeit auf der Aroha.
Wir erleben auch tagelange Flauten mit spiegelglattem Wasser. Das Wasser riecht dann faulig-moderig. Überwiegend hat es zusätzlich auch noch Nebel, der die Linie zwischen Meer und Luft ineinander fliessen lässt. Bei unseren abendlichen Deckskontrollen entdecken wir in einer dieser windstillen, nebligen Nächte Licht in der verlassenen Liegenschaft auf der kleinen Ochseninsel. Zudem geben die Vögel komische, laute Geräusche von sich, wie wir es sonst noch nie gehört haben. Eine spooky Stimmung, die uns gruselige Geschichten spinnen lässt.
Dass wir ein paar Tage zuvor auf der Insel gewesen sind und dabei höflich und bestimmt gebeten wurden die Insel zu verlassen, macht Angelegenheit nicht weniger gruselig.
Als an einem windstillen Tag die Sonne scheint, wollen wir draussen essen. Blöderweise liegt die Aroha so im Wasser, dass es Schatten im Cockpit hat. Ich denke, mit einem Paddel müsste sie sich drehen lassen, schliesslich ist ja kein Wind. Also schnappe ich mir das Paddel vom Kajak, beginne zu paddeln, sie dreht sich ca. 20Grad. Es fehlen noch weitere 90 Grad. Tapfer mache ich weiter, aber es tut sich nicht mehr viel. Ich halte inne, beobachte das Wasser. Stelle fest, dass Quallen und treibendes Seegras langsam vorbeiziehen. Gegen die Strömung komme ich nicht an.
Zum Leid der Windmessanlage wecken uns die Raben täglich morgens um 6 Uhr und geniessen die Aussicht vom Masttopp. Wir führen die sogenannte „Krähenwache“ ein und wechseln uns darin ab, die Tiere zu verscheuchen. Eines Morgens sind es rund 30 Krähen, die um den Mast flattern und einige sitzen dicht aneinander auf der Saling. Ein riesen Lärm von vielen Krähen.
An einem etwas ruhigeren Morgen bekommen wir auf dem Vordeck Besuch von zwei Eisvögeln. Sie lassen sich auf der Reling nieder, während ich vorne auf dem Bug sitze. Sie zwitschern ein kurzes Lied und fliegen weiter.
In der Dämmerung beim Wäsche aufhängen oder tagsüber während der Kaffepause auf dem Deck sehen und hören wir fast täglich Schweinswale. Das spezielle Geräusch beim Ausatmen und die sanfte Bewegung wie sie ihren Rücken und die Flosse durch die Wasseroberfläche bewegen, sind immer wieder aufs Neue schön zu beobachten. Einmal zieht einer direkt unter dem Boot durch, während wir auf der Badeplattform sitzen.
Nach den Stürmen sind sie besonders viel unterwegs. Wohingegen wir sie bei Flaute fast nie beobachten können.
Nicht enden wollende Arbeiten und neue Herausforderungen kommen auf uns zu: Die sinkenden Temperaturen und steigende Feuchtigkeit führen zu weiterem Handlungsbedarf. Der Ankerplatz bei den Ochseninseln bietet uns lange eine unglaublich schöne Kulisse für all diese Arbeiten und Erfahrungen. Bis in den Windprognosen ein mehrtägiger Südsturm erkennbar ist, und wir einen Platz brauchen, der uns vor Südwind schützt.