Die Segelyacht Aroha vor den verschneiten Bergen in den Lofoten, strahlend blauer Himmel.

Über die Unberechenbarkeit der Fallböen – wenn Wind und Berge miteinander spielen – und über die wohl unpassendste Pier für Aroha, an der wir jemals angelegt haben.

„Was willst du hören?“ Ein paar Sekunden später kommt Musik aus dem Lautsprecher, die zum heutigen Sommertag an dem Nationalfeiertag Norwegens ist (17. Mai), passt.
Seit zwei Nächten schwoien wir an diesem Ankerplatz in den Lofoten mit Aussicht auf eine wunderbar verschneite Berglandschaft. 
Während wir Nachtessen und das Bergpanorama geniessen, fragen wir uns: Warum liegt hier eigentlich so viel Schnee? Sogleich schauen wir wie hoch denn die Berge der Lofoten sind und stellen fest, dass das Bergmassiv, an dem sich unsere Blicke gerade erfreuen, mit seinen knapp 1’200 müM das höchste hier ist. 

Einige Kilometer in den Norden hat uns der Wind in den letzten Tagen getragen. Ein paar Breitengrade über dem Polarkreis. Das merken wir am Sonnenstand, den frischen Temperaturen und auch die Laubbäume haben vom Ankerplatz aus noch keine Anzeichen von Grün. Das kommt uns gelegen, da wir noch Birkenblätter sammeln wollen. In Trondheim wäre die Zeit bei unserer Abfahrt gerade gut gewesen, hier wird die Zeit erst noch kommen.

Der Anblick solcher mächtigen Berge ist schön fürs Auge. Gleichzeitig liegt im Hintergrund das Wissen, dass diese Berge ruppig mit den Winden spielen und es je nach Windrichtung zu starken Windturbulenzen führen kann. 
Letzte Woche an einem Abend segeln wir nach einem super Segeltag gerade an Bodø vorbei, als der Wind mehr und mehr einschläft. Wo wollen wir übernachten? Kurz vor uns liegt eine Insel mit einem 800m-Berg und zwei Ankerbuchten. Aufgrund des angesagten starken Windes von früh morgens bis mittags, muss ein guter Ankergrund her. Weitere Ankerplätze wären mit dem Motor zu erreichen. Eigentlich wissen wir, dass die Kombination von dieser Windrichtung und diesem Berg zu heftigen Fallböen führen könnte. Die Wucht solcher Fallwinde haben wir schon mehrfach erlebt. Aber die Alternative 3-4h mit dem Motor weiter zu fahren, gefällt uns auch nicht. Wir suchen Gründe in der Topografie, weshalb an diesem Ort keine Fallböen entstehen könnten und das auch die angesagten Winde zu schwach seien.
So legen wir Kurs auf besagte Ankerbucht hinter dem Berg und geniessen die letzten Sonnenstrahlen während wir mit 2kn Fahrt unter Segel zur Bucht fahren. Vor dem ins Bett gehen machen wir alles sturmsicher, auch wenn der lauschige, friedliche Abend nicht erahnen lassen würde, dass in 6h starker Wind aufzieht.
Die ersten Böen rütteln früh morgens am Rigg. Mir ist die Lust nach putzen. Saugen, Böden aufnehmen, Herd und Spülbecken ausgiebig schrubben ist bei Wellengang besonders spannend. Und so bekommt Aroha von Innen einen Wellnesstag, während sie im Aussen einiges abbekommt. 

Der kurze Gang ins Cockpit zeigt die Atemluft ist wohltuend frisch, aber es ist sehr laut von den Windgeräuschen. Fallböen ziehen in rasanter Geschwindigkeit über die Wasseroberfläche, wirbeln das Wasser kurz und weiss-gischtig in die Luft. Es wirkt, als ob jemand immer wieder eine weisse Schnurr quer über die Bucht sausen lässt. Die Luft ist voller Gischt und der Horizont wirkt dunstig.

Dann, wieder im Innern angelangt, wie ein Hammerschlag wird das Schiff abrupt bis ca 25Grad zur Seite gedrückt. Eine Fallböe hat uns besonders ungünstig erwischt. In solchen Momenten tut einem das Schiff schon etwas leid, insbesondere der Ankerbeschlag hält Spitzenbelastungen aus. Wenn man sich die Aroha mit ihren 5.3t Ballast vorstellt, kann man die Kraft dieser Fallböen erahnen. 
Im Innern hat ein Handy-/Tabletständer seine Spuren an der Wand hinterlassen, die heftige Schiffsbewegung hat ihn vom Tisch geschleudert. Er ist wohl der erste Gegenstand, der seinen Abdruck in der Wand hinterlässt. Diese Fallböe bleibt zum Glück die einzige in dieser Wucht. 
Interessant, wie man sich Dinge schön begründet und so geht es weiter mit der Reinigung der Küchenfronten.

Für uns geht es weiter Richtung Norden kaum beruhigen sich die Verhältnisse am Mittag. 

Weiter auch auf der Suche nach einer marine Tankstelle. Diese sind schon seit längerem Mangelware, doch an diesem Abend sollten wir eine erreichen. So lassen es zumindest die Seekarte und Google Maps erkennen. 
Die Tankstellenpier vor Augen wird klar, dies ist der wohl unpassendste Pier, an dem wir je festgemacht haben. Nur dank der Enterhacken ist es uns überhaupt möglich anzudocken. Nach dem Hochklettern beschreibt die Zapfsäule, dass sie ausser Betrieb ist. So legen wir schnell wieder ab, den in 30min kommt die Schnellfähre und legt an diesem Steg an. 

Vom Gästehafen aus erkunden wir das Gelände und entdecken zu unserer Freude einen Lebensmittelladen in Selbstbedienung. Ein wirklich toller Laden mit einer gemütlicher Kaffeecke und Mini-Bibliothek. Lange Zeit bleibt uns nicht, den auch im Gästehafen sind wir nicht erwünscht. Schiffe über 40Fuss sollen bei Windböen über 30kn am Fähranlegesteg/Tankstellenpier festmachen. (Irgendwie etwas ironisch, denn da müsste man ja alle 12h, wenn die Fähre kommt, weg.) Die für die Nacht angesagten Böen von bis zu 55kn machen unseren Plan eindeutig. Wir ankern im benachbarten Ankergrund, bringen beide Anker aus. 
Und so zieht auch dieser Sturm über uns, dieses Mal mit weniger Geschwindigkeit als angesagt.
Schon wenig später ist guter Segelwind, der uns in die Lofoten trägt, nicht an den angedachten Ort. Aber dafür zu einer Tankstelle, an der tatsächlich Diesel verkauft wird, und dann zur eingangs beschriebenen Ankerbucht mit Bergpanorama.

Aktueller Breitengrad: 68 Grad 17‘ Nord, nachts lässt es sich durchgehend ohne Licht problemlos lesen.

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